Das ist jetzt kein rhetorisches Glanzstück, aber ich möchte auf die Frames hinweisen mit denen die ÖVP hier arbeitet. Es sind die selben Frames mit denen Neoliberale seit den 70er arbeitet – die guten und die schlechten Armen. Deserving und undeserving poor. #NatsAnalyse
Deserving poor, also jenen, denen wir die Sozialleistungen gerade noch gönnen, sind jene mit denen wir Mitleid empfinden sollen, weil sie unverschuldet in Armut gelandet sein. Durch grausames grausames Schicksal. Also Alleinerzieher_innen, Menschen mit Behinderung, zu Pflegende.
Ihr merkt aber da schon das Menschenbild – Sozialleistungen sind Almosen, die wir aus Mitleid verteilen. Es ist kein Akt der Solidarität oder der Absicherung sondern charity, um uns besser zu fühlen, weil wir den Armen gebeutelten Seelen helfen.
Und nur mit so einem Umkehrschluss ist es möglich den undeserving poor nichts zu gönnen und sie auszuschließen. Das sind jene deren Schicksal uns nicht genug rührt. Jene deren Armut wir als selbst verschuldet ansehen. Etwa, weil Arbeit verloren.
Oder, weil sie eben nicht genug deutsch sprechen. Die Debatte um undeserving poor ist in jedem Land rassistisch aufgeladen. Es gibt sehr viele Untersuchungen gerade zu den USA, wo dieser Diskurs sehr präsent ist. Undeserving poor ist quasi äquivalent mit black single mother.
Weil es natürlich drei Kategorien von undeserving im neoliberalen Denkeb repräsentiert: Nicht-weiß, also per se verdächtig in einer weißen Mehrheitsgesellschaft, single mother – wer arm ist und Kinder bekommt ist selbst schuld und wer sich dann noch trennt – SSKM.
Damit hat das Ganze auch eine vergeschlechtlichte Komponente. Nur damit ihr wisst wo die Ursprungsidee her kommt und welche Geschichte diese Frames haben. Zurück zur ÖVP: auch hier wird Dualität aufgemacht – die schicksalsgebuteten deserving vs die migrantischen undeserving poor
Das Interessante dabei ist, dass es eine Debatte ist, die nur auf Ebene der Moral funktioniert und handfeste harte Parameter wie ökonomische und soziale Kennzahlen völlig außer acht lässt. Diese Ebene haben wir komplett verlassen.
Wenn x und y genauso wenig zum Leben haben und Beide hungern, dann bekommen sie nicht die gleichen Sozialleistungen, wenn y nicht genauso gut Deutsch spricht wie x. Weil x durch seine Deutschkenntnisse automatisch deserving und y undeserving ist.
Für Sozialleistungen werden in diesem Frame persönliche Qualifikationen eingezogen, die man erfüllen muss wie bei einer Jobbewerbung. Es reicht nicht mehr aus gewisse ökonomische Kennzahlen zu unterschreiten.
Dazupassend werden absichtlich Versicherungsleistungen und Sozialleistungen vermischt, die in Wahrheit nichts miteinander zu tun haben. Arbeitslosengeld zb ist kein Gnadenakt der Gesellschaft sondern schlicht eine Versicherungsleistung für Jene, die zuvor eingezahlt haben.
Sozialleistungen wie die Mindestsicherung sind universelle Leistungen auf die man sich als Gesellschaft geeinigt hat, um ein Abrutschen ins absolute Elend zu verhindern, wie wir es vor den Sozialleistungen kannten. Also so Menschen-wohnen-im-Kanal-Armut.
Diese universellen Leistungen bedingen kein vorheriges Einzahlen. Kinder zb haben noch nie einen Cent eingezahlt, sind aber in Wien Nutznießer_innen der Mindestsicherung. Eine Vermischung völlig unterschiedlicher Leistungen, wie die ÖVP das macht, hat zwei Ziele:
1. die Versicherungsleistung wird als Charity dargestellt und nicht als Leistung mit Rechtsanspruch und 2. die universelle Leistung wird diskreditiert, weil ja „niemand“ eingezahlt hat. Beides ist nötig um in un/deserving zu spalten, w es nicht mehr um ökonomische Parameter geht
Das Perfide ist halt, dass so ein Diskurs der aus einem Klasseninteresse geführt wird und rassistisch ist doppelt gut funktioniert- weil wer will schon die undeserving Ausländer verteidigen, die nichtmal Deutsch sprechen, während auf der anderen Seite die Guten zu Pflegenden sind
Nur hilft das denen ja auch nix, weil sie zu passiven, zu beschenkenden Almosenempfänger_innen gemacht werden. Durch diese Spaltung verlieren also, wenig überraschend, sowohl die deserving als auch die undeserving poor. Wer gewinnt? Die, die das Geld nach oben verteilen können.