Also gut, was soll ich sagen, widmen wir uns halt dem österreichischen Bundeskanzler und seinem Versuch die Sozialdemokratie anzugreifen und schauen wir uns an wie er das sprachlich gemacht hat. Es ist gar nicht leicht das in Worte zu fassen, ich versuche es mal. #NatsAnalyse
1. Lenin. In der ZIB 2 am Vorabend des 1. Mai redet Kurz davon, dass in der Sozialdemokratie Lenin gehuldigt wird und das genauso widerlich wie das Rattengedicht der FPÖ ist. A. Sachlich ist das überraschend lückenhaft. Es geht um ein Post der SJ Wr Neustadt.
Und B. Ist es schon ein starkes Stück Lenin mit NS-Rhetorik zu vergleichen. Kurz macht hier einen Kniff, der dreifach wirkt: er delegitimiert die Sozialdemokratie als quasi genauso so schlimm wie Nazis. Er holt die FPÖ aus dem Matsch indem sie nicht allein das Widerlichste ist.
Und er erhöht sich selbst als „nicht links, nicht rechts“ und damit als immanent gut. Das ist ahistorisch und gefährlich. Kurz suggeriert als wären der sowjetische Kommunismus (unter Lenin offenbar) und der Nationalsozialismus gleich bedeutende Gefahren für das Hier und jetzt.
Das stimmt historisch nicht und so nah zum 8. Mai täte Demut vor den Opfern der Alliierten not. Und es stimmt schon gar nicht aktuell. Wo in der Sozialdemokratie gibt es einen relevanten stalinistischen (das dürfte eigentlich gemeint sein) Flügel, d von autoritärem System träumt?
Was Kurz bewusst macht ist den Relevanz-Parameter auszuschalten und diesen Filter bewusst auszulassen. In einem vernünftigen Diskurs brauchen wir den, weil halt nicht alles gleich wichtig ist. Jedes Fuzzel auf höchste Bedeutungsebene zu heben ist Diskurszerstörung.
Das ist genau das was Trump macht zb. So entfachen sich völlig absurde Diskussionen, die von eigentlich Relevantem ablenken. Random Person on the internet sagt Impfen verursacht Kommunismus und das ist genauso diskussionswürdig wie was Ärzt_innen sagen.
Das ist Diskurszerstörung deleuxe und führt zu einem Rückzug in bubbles, weil man den völlig aufgekratzen und hysterisierten Diskurs nicht mehr führen KANN. Weil Argumente, Reflexion und Relevanz keine Bedeutung mehr haben. Das ist so gewollt. Und was will Kurz?
Er zerstört damit den Diskurs um das Rattengedicht! Das ist ja der eigentliche Sinn hinter diesem Move. Wenn er „Lenin“ mit rein mengt, dann zerstört er die Sachebene auf der der Diskurs um das Rattengedicht geführt wurde. Der österreichische ÖVP-Bundeskanzler.
2. Der große Austausch. Im selben Itv betont er, dass er d Begriff nicht verwendet, weil er faktisch falsch ist, weil ja nicht genauso viele Leute nach x gehen wie von x kommen. Das ist süß. Niemand hat das Konzept je so dargelegt o verstanden. Es ist absichtliches Missverstehen.
Das kann man schon machen, wenn man den Gegenüber ärgern will. Kinder machen das gern. (Du hast gesagt ich darf nicht auf der Couch essen, meine Füße sind am Boden, ich esse nicht auf der Couch), aber von einem Bundeskanzler kann man Professionelleres erwarten.
Inhaltlicher Einschub: es geht um die fallenden Geburtenraten in Europa für die Frauen und Feminismus verantwortlich gemacht werden. „Der gr Austausch“ meint immer auch Antifeminismus. Ich habe b Manifest d Christchurch-Terroristen mehr dazu geschrieben:
Da kann man sich jetzt absichtlich blöd stellen, das ist aber ein Schlag ins Gesicht derer, die zb im Namen dieser Ideologie ermordet wurden. Es ist ca. auf dem Niveau v „waren Nazis nicht eigentlich links?“. Wichtig ist: „der gr Austausch“ ist ein festes, rechtsextremes Konzept
Es ist nicht ambivalent, es kann nicht so oder so gemeint sein. Es wurde vor ein paar Jahren von Renaud Camus mit genau einer Bedeutung erfunden. Und seit dem arbeiten Rechtsextreme daran den Begriff zu etablieren. Weil er etwas in unseren Köpfen macht. Weil er Bilder evoziert.
Alles Andere als einen Ausschluß dieses menschenverachtenden Begriffs aus dem demokratischen Diskurs ist inakzektabel. Weil Sprache eine Waffe und nicht harmlos ist. Und „der große Austausch“ ist die stärkste Waffe, die Rechtsextreme gerade haben.
Warum demonstriert Kurz also so eine Wurschtigkeit? Weil er wiederum die FPÖ schützt. Sehr offensiv sogar. Er erlaubt rechtsextreme Ideologie auf einer Sachebene zu diskutieren und legitimiert sie dadurch. Als wären Verschwörungstheorien ein legitimer Diskursanstoß.
Im 19. Jh haben Leute ein Buch geschrieben, das behauptet die mächtigen Oberhäupter jüdischer Familien treffen sich 1x im Jahr am alten Friedhof in Prag und teilen sich die Welt auf. Das wurde dann auch „diskutiert“. Völliger Humbug. Aber Basis f eliminatorischen Antisemitismus.
Genau auf der Ebene ist „der große Austausch“ angesiedelt- es gibt keine Sachebene bei Verschwörungstheorien. Nur eine, die Rechtsextreme konstruieren und darauf darf man nicht einsteigen. Kurz tut das. Ich möchte sagen: wider besseren Wissens. Aus Kalkül und Machtpolitik.
Hui boy, das wird mein längster Thread ever. Sorry. Kommen wir zu Nummer 3: die PKK. Vieles was ich bei Punkt 1 gesagt habe trifft auch hier zu. Relevanz, Gleichsetzung, Selbsterhöhung, FPÖ aus dem Matsch ziehen und Sozialdemokratie delegitimieren.
Spannend ist wie grob und flapsig der feine und ruhige Herr Kurz plötzlich wird. Er lässt bewusst relevante Details aus, spricht von Verfassungsfeindlichen Symbolen, wo keine waren und eskaliert die Situation gleich auf Anschlag. Es ist also gleich „die PKK“ bei d SPÖ marschiert.
So als wäre die Parteiführung der PKK mit AK47 neben Rendi-Wagner hermarschiert und hätte den bewaffneten Kampf gegen d demokratische Österreich unter Führung d wackeren Herren Kurz ausgerufen. Das ist d Bild was vermittelt werden sollte. Absurderweise wurde das medial übernommen
Diese völlig entgrenzte Eskalation bei der es nur darum geht einen Gegner medial komplett zu eliminieren haben wir so nicht oft gesehen von der ÖVP. (Vlt Silberstein. Wer ein paar Hintergründe kennt und wie die antisemitisch chiffriert immer wieder kommt, weiß was ich mein)
Das ist auf jeden Fall eine neue Qualität im österreichischen Diskurs, weil die „Vorwürfe“ völlig arbiträr und konstruiert sind. Wir befinden uns auf so einer absurden Diskursebene, die mit der Realität immer weniger über einstimmt. Es geht auch um nix Sachliches mehr.
Es geht einzig und allein darum der Sozialdemokratie eins reinzuwürgen. Damit von der FPÖ abgelenkt wird und die Koalition weiter Bestand haben kann. Nur dass nicht irgendwer diesen Herkulesakt für die FPÖ macht. Der Bundeskanzler persönlich vollführt das.
Und der Nebeneffekt ist klar: Rechtsextremismus wird banalisiert und als „Verhandlungsmasse“ abgetan. Wenn „die SPÖ“ für Lenin und PKK steht, dann ist es auch ok, wenn die FPÖ an der Macht ist, wo der Parteiobmann selbst rechtsextreme Logiken propagiert.
Ich komm zum Schluss: ich glaube nicht, dass Kurz das aus ideologischer Überzeugung macht. Wären die Bedingungen anders würde er gegen die FPÖ ausreiten. Er macht es aus kaltem zynischen Macht-Kalkül. Das ist 1000x schlimmer als jeder wirklich überzeugte FPÖler.
Irgendwie immer bisi unangenehm, aber naja ich lasse es mal hier. Keinerlei Verpflichtung oder so. Nur weil ich das ja als elaboriertes Hobby mache.