Es hilft ja nix, schauen wir uns an welche rhetorischen Manöver Außenminister Schallenberg da gestern vollführt hat. Würde auch allen Nicht-Österreicher_innen raten das anzusehen – eine Lehrstunde in roher Bürgerlichkeit
Hintergrund: Schallenberg wurde ins Studio geschickt um den no way-Flüchtlingskurs der Regierung zu verteidigen. Er ist parteilos, aber de facto ÖVP. Österreich will keinen einzigen Flüchtling, kein einziges Kind aus Moria aufnehmen. Schauen wir rein:
1. „ich habe 3x mit dem griechischen Kollegen telefoniert“ = ich bin wichtig, ich habe die Lage im Blick, im Gegensatz zu euch weiß ich, was los ist. Das ist eine Sache für uns Experten. Andere Meinungen sind unqualifiziert, haben nicht ganzes Bild.
Klassische Selbsterhöhung. Politik wird zu etwas Kompliziertem gemacht, zu dem man erst etwas sagen kann, wenn man dafür qualifiziert ist. Das ist eine elitäre und technokratische Sicht auf Politik, die (fiktive) Hierarchien einzieht, um Andere hinabzustufen.
Selbe Kerbe: „niemand in der EU redet über Verteilung“ und „die Griechen wollen gar nicht, dass die Flüchtlinge verteilt werden“.
Wir können das a. nicht nachprüfen, b. ist das zweifelhaft und c. wird so getan, als gäbe es „echten“ Expertendiskurs vs öffentliches Geschrei
Wir können das a. nicht nachprüfen, b. ist das zweifelhaft und c. wird so getan, als gäbe es „echten“ Expertendiskurs vs öffentliches Geschrei
2. „die Kommission hat Ende des Monats was“, „wir müssen abwarten“, „ruhig bleiben“, „besonnen“ . Genau dazu hab ich gestern ein Insta-Video gemacht (folgt mir!): Verzögerungstaktik, weil man nicht will. Hinauszögern, um nichts tun zu müssen.
Man begibt sich hier in eine vermeintlich ruhige und besonnene Haltung, um vermeintlich die Situation zu überblicken. Jede Rettungsorga wird bestätigen, dass eine Notsituation schnellen Handelns bedarf. Der „abwarten“-Frame negiert die unmittelbare Notlage vor Ort. Zynisch.
3. „Signale aussenden“, „kommen mehr“ ein Angst-Frame. Es sind unüberbrückbare Menschenmassen und alles, was zwischen uns und diesen gefährlichen Menschenmassen steht, ist das Lager Moria. Die 13.000 Menschen sind quasi ein Prellbock, eine lebende Warnung an andere.
Das ist Dehumanisierung. Menschen sind keine Menschen mehr, sondern nur noch Massen. Diese Massen werden angstbesetzt. Das ist exakt die Sprache der extremen Rechten zu Flüchtlingen. Ich hätte dazu schon was geschrieben, vergleicht es mit Schallenberg.
Menschen sind in dieser Sprache keine Menschen mehr mit individuellen und kollektiven Bedürfnissen, Rechten und Hoffnungen sondern strategische Verschubmasse. Das ist eine Logik des Krieges. Wen opfern wir, damit der Feind draußen bleibt? 13.000 Menschen in Moria. Pech gehabt.
Menschen sind in dieser Sprache keine Menschen mehr mit individuellen und kollektiven Bedürfnissen, Rechten und Hoffnungen sondern strategische Verschubmasse. Das ist eine Logik des Krieges. Wen opfern wir, damit der Feind draußen bleibt? 13.000 Menschen in Moria. Pech gehabt.
4. „Deemotionalisieren“, „realistischer Pragmatismus“ – schöne, feine Worte für blanken Zynismus. Die kalte Grausamkeit wird deutlich bei Worten wie „immer nur ein paar Kinder“, „nur weil ein Boot sinkt“. Damit sagt er, dass wir dieses Leid aushalten müssen, weil es sein muss.
Es ist eine Steigerung des „da kann man nichts tun“, es ist ein „wir können etwas tun, aber wir wollen nicht“. Gleichzeitig wird es rationalisiert und als nach allen Abwägungen richtige Handlung dargestellt. Es ist also ein Legitimierungs-Frame. Es ist legitim, d Menschen leiden.
Gleichzeitig wird sich selbst die Ratio zugesprochen (vgl Punkt 1) und den Anderen Emotion. Als sei Emotion etwas Schlechtes, als sei Empathie nichts, was Menschen ausmacht. Ich möchte keine unlauteren Vgl ziehen, aber die Rationalisierung v Härte ist Kern faschistischer Sprache.
5. „bitteren Erfahrungen 2015/16“ Nur um gleich selbst zu emotionalisieren. 2015 wird als furchtbar und bitter dargestellt, als wäre es ein Kriegsjahr gewesen. Zur nachträglichen Verkehrung von 2015 als Stunde 0 hier mehr.
(Wie oft kann man sich selbst zitieren? Wann wird’s peinlich?)
Ich denke, das waren die wichtigsten Frames und Narrative, die Schallenberg bedient. Mit seinem nasalen Großbürger-Soziolekt hat das natürlich auch noch eine intensivere Wirkung.
Zusammengefasst sagt Schallenberg: Wir treffen harte, aber richtige Entscheidungen. Für Mitleid und Gefühlsduselei ist kein Platz. Ihr habt keinen Einblick, keine Ahnung. Wir verteidigen Europa vor unüberschaubaren bösen Flüchtlingsmassen. Empathie, Humanität hat da keinen Platz.
Es ist im Prinzip eine Sprache des Krieges, wo hierarchische Entscheidungen getroffen werden hinter verschlossenen Mauern, die Öffentlichkeit nicht mitdiskutieren kann und Gewalt u Härte nunmal mitleidslos dazu gehören. Menschen sterben halt, das ist Krieg, da kann man nichts tun.
Soziologisch gefasst ist Schallenberg ein Vertreter der rohen Bürgerlichkeit. Selbe Logiken wie extreme Rechte, nur viel feiner. Wilhelm Heitmeyer hat es definiert.
Politikwissenschaftlich gefasst würde ich Schallenberg eine Übernahme der Sprache und Logiken der Neuen Rechten attestieren. Wir sehen hier Diskursverschiebung, sprachliche Grenzen erweitern, Legitimation menschenfeindlicher Logiken. Kulturkampf von rechts.
Danke fürs Lesen. Es gibt noch sehr viel mehr dazu zu sagen, aber ich lasse es einmal dabei. Wenn euch noch was auffällt, bitte einfach schreiben und zusammen diskutieren. Es ist immer gut, sich sowas gemeinsam zu erarbeiten, um nicht im Entsetzen stehen zu bleiben.