Die Rede von Gudrun Kugler finde ich noch beachtenswerter als Kurz‘ seltsames Gebets-Intermezzo. Sie legt gut dar wie der politische Katholizismus im Jahr 2019 funktioniert und wo er anschlussfähig für ganz rechts ist. It‘s thread time. #NatsAnalyse
Zu aller erst sei gesagt, dass das eine rhetorisch gute Rede ist – von Kleinen ins Große, von der Vergangenheit in die Zukunft, vom politischen ins Persönliche und zurück. Das holt ab und nimmt mit. Das ist handwerklich nicht schlecht gemacht.
Und dann gehen wir schon rein ins Inhaltliche. Zu aller erst die ideologischen Referenzpunkte. Erwähnt werden Raab und die weiße Rose. Die Gewichtung wird aber auch deutlich: das Schlimmste war die dunkle Zeit der Besatzung. D ist Narrativ, das wichtig ist im ö Rechtsextremismus
Die Nazis waren schon schlimm aber irgendwie wenigstens Unsrige, aber die „Besatzung“ der Allierten wird zum großen Leidensmotiv. Die schlimmen Russen und die kulturlosen Amerikaner. 1955 ist die eigentliche Befreiung. Das zeigt, dass 1945 nicht als Befreiung empfunden wird.
Das ist eine einende Konstante zwischen Konservativismus und Rechtsextremismus. Man sieht das zb oft auch als Bildmotiv auf Bauten konservativer Genossenschaften. Die Allierten wurden als mindestens so störend wie die Nazis empfunden.
Dann beruft sie sich aber geschickt auf die weiße Rose, um sich nicht nachsagen zu lassen, dass sie nicht gegen Nazis sei. Die weiße Rose wird in den letzten Jahren von den Identitäten abwärts versucht zu vereinnahmen. Klar – sie sind die perfekten Entlastungszeug_innen.
Mit einem echten Kampf gegen den NS oder wofür er steht hat das natürlich recht wenig zu tun. Im Gegenteil – man beruft sich auf Konkurrenzfaschist_innen (wie Edgar Julius Jung, Stauffenberg) oder versucht sogar den demokratischen Widerstand für sich zu beanspruchen.
„Hauptsache keine Nazis“ funktioniert halt, weil in der breiten Öffentlichkeit Nationalsozialismus und Faschismus nicht als Ideologie, sondern als „die 4 Personen und die eine Partei“ begriffen wird. Das ist falsch. Es ist eine Ideologie in einer Ideologienfamilie.
Und nur weil man sich in manchen Sachen nicht einig ist macht das nicht alles was „nicht NS“ ist besser. Es gab und gibt viele Formen von autoritärem, menschenfeindlichen und faschistischem Denken. Im Endeffekt bestärken sie einander, egal welche Machtkämpfe es gibt.
Und eines was sie Alle gemeinsam haben wird auch von Kugler vorgebracht: die Dekadenz der heutigen Zeit. Wir existieren nur noch zur Bedürfnisbefriedigung und haben unser Innerstes (Gott) dadurch verloren. Der Hass auf den Wohlstand der Massen ist nichts Neues.
Auch das eint rechten politischen Katholizismus u völkischen Rechtsextremismus. Weil es beides idealistische Ideologien sind, d meinen unser Heil kommt intrinsisch aus uns und unseren Ideen heraus. Materialistische Ideologien, wie Marxismus, sagen erst kommt Bedürfnisbefriedigung
Ist jetzt natürlich sehr verkürzt, a erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral, ihr kennt das. Und weil wir d Idee Gottes grad so gar nicht erfüllen, w sich das Kugler u Co vorstellen, sieht sie Europa am untergehen. Über d Untergangsvorstellungen habe ich ja schon geschrieben
Den selben Dekadenz-Diskurs hatten wir Anfang des 20 Jh und besonders nach dem 1. WK. Als Marxistin schau ich in die Welt und sehe mit was das klar zusammenhängt: Emanzipationsbewegungen. Frauen, Homosexuelle, Juden und Jüdinnen und v.a. Arbeiter_innen.
Immer dann, wenn die Unterdrückten ein bisi was bekommen geht für Leute wie Kugler die Welt unter. War vor 100 Jahren genauso. Weil
rechtsextreme Ideologien und v.a. Der politische Katholizismus Herrschaftsideologien sind, die eine hierarchische Gesellschaftsordnung wollen.
Sie stützen das herrschende System und bekämpfen jene, die auch ein kleines Stück davon haben wollen. Nichtmal nur revolutionäre Bestrebungen, nein sie haben schon vor den harmlosesten reformistischen Anliegen Angst. Weil sie keinen Kompromiss eingehen können bei ihrer Ideologie.
Weil es eine Europride gibt und Frauen sich scheiden lassen dürfen oder ü ihren Körper bestimmen können sehen sie sich komplett im Eck. Und um da wieder raus zu kommen braucht es nicht weniger als ein „Awakening“. Religiöser Pathos vermengt m politischen Anliegen ist gefährlich
Es ist ja kein Wunder, dass der NS diese Sprache übernommen hat. Gerade die „Erweckung“ und das „erwachen“ findet sich zu Hauf in NS- und faschistischer Propaganda. Weil es ganz starke religiöse Gefühle anspricht und über den schnöden Alltag erhebt.
So jetzt quassel ich schon wieder sehr lang, aber ein Punkt noch- Kugler zeigt auch gleich eine Strategie auf und das ist sehr spannend, weil sie davon spricht den gesellschaftlichen Diskurs zu kapern. Kommt euch bekannt vor? Das ist genau die Strategie der Neuen Rechten.
Es geht nicht um Parlamente oder Gesetze sondern um Diskursverschiebung bzw – zerstörung. Und nachdem das genau der Pfad der Neuen Rechten ist sehen wir hier mE das Zusammenwachsen zweier Flügel des selben Ideologiespektrums- des religiösen mit dem Völkischen.
Dazu passt etwa auch, dass Kubitschek und Co seit längerem starke Signale Richtung religiöser Rechte aussenden (gerade eben sind sie auf Wallfahrt mit den Pius-Brüdern). Die Legionäre Christi haben schon länger bei AfD angedockt zb.
Und wenn ich mir den Auftritt von Kugler so anschaue mit der klar politischen Ausrichtung und der Strategiedarlegung, dann wird das anscheinend jetzt auch in konservativen Kreisen erhört. Dieses Zusammenwachsen gegen den gemeinsamen Feind sollte uns sehr beunruhigen.
Genau das ist nämlich in den 1910ern bis Anfang der 1930er in Österreich schon mal passiert. Bei allen Differenzen (die ich gerne zugestehe), wiegt der gemeinsame Feind (Sozialdemokratie, Emanzipationsbewegungen, politischer Liberalismus) mehr, als das was sie trennt.