Die Angstlust am Untergang ist übrigens integraler Bestandteil von Faschismus und Rechtsextremismus. Daran erinnern etwa Titel wie „Untergang des Abendlandes“ von Oswald Spengler oder „Cavalcare le tigre“ von Julius Evola (u seine Kali Yuga-Obsession) ein Thread #NatsAnalyse
Das Weltbild dahinter ist ein teleologisches. Das heißt grob gesagt, dass wir als Kultur, Volk, Nation, Zivilisation einen Zweck haben und der ist Größe erringen oder zur vollen Blüte zu gelangen. Es gibt also Kulturen (usw) in verschiedenen Entwicklungsstadien.
Die ganzen Ideen von goldenem, bronzenen usw Zeitalter sind da drinnen. Etwas was wir schon sehr früh in der Philosophiegeschichte sehen. Aber zurück zum Fachismus. Die Idee in der Moderne ist natürlich eine Völkische – weil nur ein starkes Volk (usw) das erreicht.
Und e starkes Volk ist dann stark, wenn es keine schwachen Elemente hat, die es runterziehen. Ihr seht wo das hin führt u wer als „Schwächung“ identifiziert wurde? Juden, Emanzipationsbewegungen o eben Migrant_innen, Feminist_innen, schwule Männer, lesbische Frauen, Transpersonen
Dekadenz ist das Zauberwort. Gerne wird dafür eine effimierte städtische Elite verantwortlich gemacht, die zu echter körperlicher Arbeit gar nicht mehr fähig ist, ungläubig und hedonistisch. Gerne kontrastiert mit „echten“ Leuten vom Land.
Die FPÖ zeichnet ihre Gegner zb als tiergleiche Gestalten, die Untergangsbringer sind, während sie selbst das Licht bringen. Das sind ja religiöse Motive die damit bedient werden. Und die Stärksten noch dazu. – Untergang, Weltgericht, Auferstehung…
Zurück zum Untergang. Leute wie Spengler sahen ihn recht emotionslos als unausweichlich an. Andere wie die Identitären zb prägen das Bild, das man ihn aufhalten oder umkehren kann, wenn man sich nur in einer Art Endkampf dagegen stellt.
Und wenn man sich gegen die Apokalypse, gegen den eigenen Untergang stellt, dann ist jedes Mittel recht. Für diesen imaginierten Untergang braucht es natürlich Bilder. Gerne vermeintlich ghettoisierte europäische Innenstädte, Frauen, die nicht dem völkischen Ideal entsprechen…
… Frauen, die von Migranten belästigt werden oder christliche religiöse Gebäude, die leer sind/nur noch von Tourist_innen besucht werden/wo jetzt „Gutmenschenzeug“ statt findet. Die brennende Notre Dame ist da natürlich perfekt.
Statt eines Baustellenbrandes und die Trauer, um ein architektonisch und kulturhistorisch unersetzbares Meisterwerk ist es nicht weniger als der Untergang Europas. Ein Gebäude ist nicht nur ein Gebäude sondern wird zum Symbol für Nation, Volk etc
Dass diese Untergangshysterie gefährlich ist, brauch ich kaum erwähnen. Welche demokratischen Aushandelsprozesse sollen in einer Gesellschaft möglich sein, die von der eigenen Apokalypse bedroht ist? Keine. Das ist Krieg, dem wird alles untergeordnet.
Ich würde sogar sagen: Gesellschaft wird erst im Untergang zum Volk. Denn das Versprechen der Wiedergeburt, der Auferstehung, des neuen goldenen Zeitalters ist das zentrale Versprechen des faschistischen Mythos. Palingenese. Dazu ein anderer Mal mehr.
Es gäbe noch so viel über die Implikationen des Unterrgangsmythos zu sagen, etwa was das für Geschlechtervorstellungen bedeutet und wie der soldatische Männerbund zur Errettung angerufen wird. Wie man sich den völkischen Kollektiv unterzuordnen hat für das große Ziel.
Oder wie in dieser gesamten teleologischen und idealistischen Weltsicht kein Platz für Konflikt und Aushandeln ist. Wie es philosophisch gesehen das exakte Gegenteil eines materialistischen, marxistischen Weltbildes ist, das Geschichte als Geschichte von Klassenkämpfen sieht.
Anyway: Untergangsapologeten reichen weit ins bürgerliche Lager. Untergangsangst bedient tiefe religiöse Gefühle. Faschismus braucht in seine Sprache den Untergang der Nation/Volkes/Kultur/Europas. An der Sprache erkennt ihr sie.
(Irgendwann schreibe ich einen Thread darüber wie ich Threads schreibe. Heute: Brille nicht gefunden, noch kein Kaffee, mittendrin: brüllendes Kind, weil es sich selbst leicht gekratzt hat und partout kein Pflaster will. Besorgter Kater rennt aufgeregt dazwischen rum. 🤯)